Warum das Problem nicht das Problem ist

Einer zusammengehörigen Gruppe von Menschen, also zum Beispiel einem Team, stelle ich gern zwei Fragen. Erstens: Was ist euer Problem? Und zweitens: Was wäre euer Problem, wenn dieses Problem nicht euer Problem wäre?

Auf die erste Frage bekomme ich mit ziemlicher Sicherheit ziemlich schnell eine eindeutige Antwort. Sogar, wenn ich mit einzelnen Gruppenmitgliedern unabhängig voneinander rede, benennen fast alle das gleiche Problem (oder wenn dir das lieber ist: die gleiche Herausforderung).

Denn das benannte Problem ist eins, auf das ihr euch in einem unbewussten gruppendynamischen Prozess “geeinigt” habt. Es ist ein Problem, das der Gruppe gefällt, das sozial verträglich ist und das den Zusammenhalt der Gruppe stärkt. Ihr stöhnt unter diesem Problem, aber irgendwie habt ihr euch auch damit angefreundet. Ihr tragt es mit euch herum wie ein schmuddeliges Kuscheltier und redet euch gegenseitig ein, dass alles gut würde, wenn nur dieses Problem gelöst wäre.

Stimmt aber nicht. Hinter dem benannten Problem schlummern die wirklichen Probleme. Das benannte Problem dient dazu, die wirklichen Probleme zu verbergen. Das ist, ehrlich gesagt, sein einziger Job.  Und wenn das benannte Problem diesen Job gut macht, ist das gleichzeitig saugefährlich und superbequem.

Deshalb verdient das benannte Problem eine gewisse Wertschätzung. Es gehört in großen Lettern aufs Flipchart geschrieben und dann sauber geparkt. Natürlich verrate ich nicht, dass ich dieses Problem nicht für das eigentliche Problem halte. Sondern lade ein zu einem kleinen Gedankenexperiment:

“Nur mal angenommen… Was wäre euer Problem, wenn dieses Problem nicht euer Problem wäre?” Und jetzt nicht die Platzhirsch_innen zu Wort kommen lassen, sondern allen ein paar Minuten Zeit geben, das oder die (möglichen) Probleme auf Post-its zu notieren. Dann habt ihr garantiert eine oder einige wenige Herausforderungen  auf dem Zettel, denen ihr wirklich ins Gesicht schauen solltet.

Sich mit dem benannten Problem halbherzig herumzuschlagen, ist reine Energieverschwendung. Wenn ihr aber das oder die wirklichen Probleme identifiziert habt, entsteht mit ein bisschen Glück und Geschick eine Dynamik, die ihr nutzen könnt, um mit Elan da anzupacken, wo der Hund begraben ist. Und dann kommt ihr wirklich weiter. Let’s face it!

Übrigens: Auch ich als einzelner Mensch kann ganz für mich selbst ein solches benanntes Problem haben. Und was wäre mein Problem, wenn das gar nicht mein Problem wäre?

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